Eine gleichwertige Bildungsversorgung im ganzen Land herstellen
Erwartungen der Volkshochschulen an die künftige Regierung und ein reformiertes WeiterbildungsgesetzZum Angebot der Volkshochschulen
Mit ihren Angeboten ermöglichen Volkshochschulen Teilhabe und stärken den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Das gilt für die Angebote in den klassischen Programmbereichen wie „Sprache“, „Gesundheit“, „Kultur und Gestalten“, „Politik, Gesellschaft, Umwelt“ und „Arbeit und Beruf“. Es gilt genauso für die Angebote der kompensatorischen Grundbildung, der Alphabetisierung, des Nachholens von Schulabschlüssen, der Förderung von Schlüsselkompetenzen mit den Komponenten Sprachen-, Kultur- und Medienkompetenz und die Angebote zur Integration von Zugewanderten. Dazu gehören auch die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung, Angebote für das Ehrenamt und die Unterstützung zur sozialen Teilhabe von Menschen mit Behinderung.
Zur Versorgungssituation in Schleswig-Holstein
In einigen Regionen Schleswig-Holsteins haben die Bürgerinnen und Bürger auf Grund schwach ausgebauter Strukturen der Erwachsenenbildung im Allgemeinen und der Volkshochschulen im Besonderen weniger Zugang zu solchen Angeboten als in anderen Landesteilen.
Eine Grundversorgung durch die Volkshochschulen, die für alle Bürgerinnen und Bürgerinnen zugänglich sein sollte, ist in den hinsichtlich öffentlich verantworteter Weiterbildung strukturschwachen Kreisen nicht gesichert. An Standorten, an denen sie sichergestellt ist, tragen die schleswig-holsteinischen Volkshochschulen erheblich zur Chancengerechtigkeit, zur Teilhabe und zum Zusammenhalt in unserer Gesellschaft bei. In ländlichen Kommunen sind sie zudem eine der wenigen verbliebenen Begegnungsstätten für Bürgerinnen und Bürger.
Zur gesetzlichen Lage in Schleswig-Holstein
Bisher regelt das Weiterbildungsgesetz Schleswig-Holstein vor allem die Bildungsfreistellung. Es enthält keine Grundsätze und verbindlichen Maßgaben zur Förderung von Weiterbildung. Deshalb braucht es eine grundsätzliche Reform des Weiterbildungsgesetzes mit dem Ziel, eine Angleichung der Lebensverhältnisse hinsichtlich der Grundversorgung in allen Landesteilen zu erreichen.
Zu den Zielen einer Reform des Weiterbildungsgesetzes aus Sicht der Volkshochschulen
Mit einer einstimmig verabschiedeten Resolution haben die Mitglieder unseres Landesverbandes, die Volkshochschulen und Bildungsstätten in Schleswig-Holstein, schon im Juni 2019 auf die Notwendigkeit einer Reform des Weiterbildungsgesetzes Schleswig-Holstein (WBG SH) hingewiesen. Die Resolution verweist darauf, dass Bürgerinnen und Bürger in Schleswig-Holstein aufgrund von Strukturdefiziten nicht alle gleichermaßen Zugang zu Angeboten der öffentlich verantworteten Weiterbildung haben.
Diese Strukturdefizite hängen aus unserer Sicht zusammen mit Lücken im WBG. Diese haben eine im Bundesvergleich sehr niedrige Landesförderung zur Folge, führen dadurch zu überproportional hoher Abhängigkeit von kommunalen Haushaltslagen und resultieren in einer defizitären Grundversorgung bezüglich Weiterbildung in einigen Regionen.
Eine Reform des Weiterbildungsgesetzes Schleswig-Holstein hin zu einem vollwertigen Weiterbildungsförderungsgesetz sollte aus Sicht des Landesverbandes der Volkhochschulen deshalb die folgenden Ziele erfüllen:
- Verbindliche finanzielle Absicherung der Volkshochschulen und Bildungsstätten und damit Sicherung einer landesweiten Grundversorgung mit Weiterbildung.
- Grundlegung einer dynamisierten Leistungsförderung, die strukturbildend wirkt und damit in allen Landesteilen eine ausreichende Grundversorgung durch eine ausreichende Zahl an hauptberuflich geführten Volkshochschulen gewährleistet.
- Verzahnung von ehrenamtlicher und hauptberuflicher Arbeit, um eine flächendeckende, professionelle und bedarfsorientierte Angebotsstruktur sicherzustellen. Zur Entlastung der ehrenamtlichen Volkshochschulen sind stützende Strukturen hinsichtlich des wachsenden Verwaltungsaufwandes zu schaffen.
Zentrale Forderungen für ein Weiterbildungsförderungsgesetz
Als zentrale Forderungen für ein solches Weiterbildungsförderungsgesetz bringen wir die folgenden Eckpunkte in die Diskussion ein:
- Die Grundversorgung an Weiterbildung muss ein Pflichtangebot für Gebietskörperschaften sein, die 1) mindestens 15.000 Einwohner*innen haben oder 2) die gemäß Raumordnungsplan SH zumindest die Teil-Funktion eines Mittelzentrums haben. Sie kann von Gebietskörperschaften auch in gemeinsamer Verantwortung und Trägerschaft z. B. in Form einer vertraglich geregelten Kooperation oder eines Zweckverbandes sichergestellt werden.
- Im Gesetz sollen Mindestvorgaben für Unterrichtsstunden im Bereich der Grundversorgung gemacht werden: ab 15.000 Einwohnern jährlich 3.200 UE, und ab 30.000 Einwohnerinnen und Einwohner je angefangene 40.000 Einwohnerinnen und Einwohner zusätzlich weitere 1.600 Unterrichtsstunden.
- Das Land trägt die Kosten der für Grundversorgung vorgesehenen planenden Pädagogen-Stellen, wobei in Anlehnung an das Weiterbildungsgesetz NRW je 1.600 Unterrichtsstunden eine Pädagogen-Stelle in Vollzeit vorgesehen ist, was bedeutet i. H. v. 70.000 Euro zuzüglich 15 % Verwaltungspauschale je Stelle.
- Zur Unterstützung der ehren- und nebenamtlich tätigen Volkshochschulen können für strukturschwache Regionen zusätzliche Stelle geschaffen werden, die zentrale Verwaltungsaufgaben übernehmen. Das Land fördert hierzu 10 Vollzeit-Stellen i. H. v. 70.000 Euro zuzüglich 15 % Verwaltungspauschale je Stelle.
- Die Förderung nach Unterrichtsstunden soll ergänzend fortgeführt werden und muss eine Regelung zur Berücksichtigung digitaler Angebotsformate enthalten.
- Die Zuschüsse des Landes steigen jährlich um 2,5 % in Anlehnung an die im schleswig-holsteinischen FAG für Theater und Bibliotheken vorgesehene Dynamisierung.
- Bildungsstätten sollen in das reformierte Weiterbildungsgesetz in folgendem Sinne aufgenommen werden: Bildungsstätten werden nach Maßgabe dreijähriger Zuwendungsbescheide gefördert. Analog zu den Zuschüssen für Volkshochschulen ist ebenfalls eine jährliche Erhöhung i. H. v. 2,5 % vorzusehen.
Bisher vorliegende Aussagen in den Wahlprogrammen der Parteien (in alphabetischer Reihenfolge)
„In einer sich schnell ändernden Gesellschaft und in Zeiten ständiger technischer Transformation wird das lebenslange Lernen zu einer der wichtigsten Säulen unseres Bildungssystems. Die Volkshochschulen und Bildungsstätten sind Träger wichtiger gesellschaftlicher Prozesse. Bei dieser Aufgabe möchten wir sie bestmöglich unterstützen. Daher wollen wir eine Neuauflage des Weiterbildungsgesetzes zum Weiterbildungsfördergesetzes umsetzen. Für uns ist die Erwachsenenbildung ein wichtiger Baustein zur Bildungsgerechtigkeit im Alter.“
(Bündnis 90/Die Grünen, S. 27)
„Wir werden eine umfassende Weiterbildungsstrategie für Schleswig-Holstein entwickeln und gesetzlich normieren. Dies wollen wir unter Beteiligung von Volkshochschulen, Weiterbildungseinrichtungen, Wirtschaft, berufsbildenden Schulen und Hochschulen anpacken. Wir setzen uns dafür ein, die Finanzierung von Weiterbildungsangeboten über bestehende und neue Instrumente weiterzuentwickeln. Dazu wollen wir das Weiterbildungsgesetz überprüfen und möglichen Reformbedarf umsetzen.“
(CDU, S. 22)
„Wir setzen uns dafür ein, den Weg der beruflichen Qualifikation auch in finanzieller Hinsicht der akademischen Ausbildung gleichzustellen und finanziell zu fördern. Mittelfristig muss es unser Ziel sein, diese Bildungsgänge wie auch ein Studium kostenfrei anzubieten. Dabei ist auch zu prüfen, ob die bisherige maximale Freistellung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach dem Weiterbildungsgesetz ausreichend ist. … Dabei [die gegenwärtige, teilweise unübersichtliche Struktur der Weiterbildungsanbieter und deren Angebote zu überprüfen, transparenter zu gestalten und die bestehenden Beratungsangebote auszubauen] sind insbesondere auch Angebote der öffentlichen Fachschulen nach dem Schulgesetz sowie der Volkshochschulen einzubeziehen.“
(FDP, S. 22)
„Darüber hinaus werden wir uns für die landesweite Vernetzung von Weiterbildungsangeboten einsetzen. Dazu werden wir prüfen, ob die Beratungs- und Angebotsstrukturen an kommunalen Weiterbildungsstützpunkten zusammengeführt werden können. Hinzu kommt die Entwicklung und Förderung von freien, digitalen Lernangeboten (Open Educational Ressources, OER), die auch über die Volkshochschulen (VHS) aktiv vermittelt und beworben werden können. Wir wollen im Dialog mit den Volkshochschulen, den Hochschulen, den beruflichen Schulen und der Wirtschaft das bestehende Weiterbildungsgesetz zu einem vollwertigen Weiterbildungsfördergesetz reformieren.“
(SPD)
„Wir wollen Weiterbildung als gleichberechtigte Säule des Bildungswesens neben vorschulischer Bildung, Schule, Berufsausbildung und Hochschule ausbauen. Dafür brauchen wir eine ausreichende Zahl an hauptberuflich geführten Volkshochschulen. Wir wollen eine Dynamisierung der Zuschüsse für Volkshochschulen und Bildungsstätten und eine Reform des Weiterbildungsgesetzes. Es ist unser Ziel, nicht nur Qualität und Professionalität bestehender Angebote zu sichern, sondern auch eine hinreichende Grundversorgung mit Weiterbildung zu gewährleisten. Wir wollen die Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten für Erwachsene ausweiten und die Volkshochschulen und Bildungsstätten stärken.“
(SSW, S. 44)
Hauptamtlich und nebenamtlich geführte Volkshochschulen nach Kreisen

Zuschüsse der Länder im Bundesvergleich (ohne Stadtstaaten)
(basierend auf der bundesweiten Statistik des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung für 2019)

Leistungsdaten der Kreise in Schleswig-Holstein
(basierend auf der Statistik des Landesverbandes der Volkshochschulen für 2020)

Finanzierungsdaten Schleswig-Holstein gesamt

Dokumente (PDF)
Pressemitteilung: Eine gleichwertige Bildungsversorgung im ganzen Land herstellen (31.03.2022)
Statistik: Datenreport des Landesverbandes der Volkshochschulen Schleswig-Holsteins
Übersicht: Liste der Volkshochschulen und Bildungsstätten nach Kreisen (hautamtlich/nebenamtlich)